Sento - Badehäuser
- tanjaschneider96
- 27. Mai 2024
- 4 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 15. Okt. 2024

Es ist ein kalter Dezemberabend in Kyoto. Vereinzelte Schneeflocken fallen vom Himmel, als ich mein frisch bezogenes Apartment in Higashiyama verlasse und Richtung Gion laufe. Trotz, dass ich eine kleine Badewanne in meiner Wohnung habe, zieht es mich zu den nostalgischen Badehäusern, den Sento, von welchen es hier in Kyoto noch immer eine Großzahl gibt. Nach knappen 10 Minuten durch die eisige Windernacht bin ich am "Atarashi-yu" angekommen. Ich schlüpfe unter dem Noren, dem Vorhang am Eingang, hindurch, ziehe meine Schuhe aus und betrete das angenehm warme Gebäude. Die Dame hinter dem Tresen schaut mich etwas verwundert an, da die örtlichen Badehäuser hauptsächlich von Lokals besucht werden, begrüßt mich jedoch mit einem herzlichen "Konbanwa" (Guten Abend) und fragt mich, ob ich alleine bin. Ich bejahe und zahle 490 Yen. Ein Preis, welcher in allen Sento in Kyoto gleich ist.

Es spielt Musik aus den 70ern und ich höre das Platschen von Wasser, gedämpfte Gespräche und leises Gelächter. Hier herrscht eine Atmosphäre, in welcher man sich nur wohlfühlen kann. In der Umkleide lege ich meine Kleidung in einen kleinen Holzkorb, den ich zusammen mit meinen Wertgegenständen in einem kleinen Spind verwahre und mache mich, nur mit einem Handtuch und meinen Waschutensilien auf in den Badebereich.

Warmer Wasserdampf empfängt mich und ich lasse mich auf einem der kleinen Hocker nieder, um mich gründlich von Kopf bis Fuß zu waschen. Nachdem der Schaum und mit ihm die Sorgen des Alltags abgewaschen sind, steige ich in eines der heißen Becken und genieße das heiße Wasser, was die müden Glieder wärmt.
Im heutigen Beitrag soll es um das Thema Badehäuser in Japan gehen. Vielen von euch wird der Begriff "Onsen" oder auch heiße Quelle etwas sagen. Doch was ein Sento ist, wissen viele Reisende leider nicht wirklich.
In Japan gibt es eine reiche Tradition von öffentlichen Badehäusern, welche Sento genannt werden und auf eine traditionsreiche und lange Geschichte zurückblicken.

Hier ist ein kurzer historischer Abriss:
Die Geschichte der Sentos reicht bis ins 6. Jahrhundert zurück, als buddhistische Tempel begannen, heiße Quellen zu nutzen, um zu baden. Dies wurde als Teil eines spirituellen Reinigungsrituals betrachtet und es entwickelten sich im Laufe der Zeit aus diesen Badeeinrichtungen öffentliche Badehäuser.
Während der Edo-Periode (1603-1868) erlebten Sentos einen großen Aufschwung. Die Entwicklung von öffentlichen Bädern wurde durch die Popularität von Badehäusern in heißen Quellenregionen wie Beppu und Hakone sowie durch die Einführung von öffentlichen Badehäusern in städtischen Gebieten gefördert. In dieser Zeit wurden die Sentos zu wichtigen sozialen Treffpunkten, an denen Menschen sich entspannen, baden und miteinander plaudern konnten.
Während der Meiji-Zeit (1868-1912) und danach erlebten die Sentos eine Modernisierung. Die Einführung von öffentlichen Wasserleitungen und verbesserten sanitären Einrichtungen trug zur Entwicklung bei und viele Sentos wurden zu wichtigen sozialen Zentren in ihren Gemeinden.
Nach dem Zweiten Weltkrieg erlebten die Sentos einen weiteren Aufschwung, da viele Menschen in überfüllten Wohnungen lebten, die oft keine eigenen Badezimmer hatten. Sentos boten eine Möglichkeit zur persönlichen Hygiene und Entspannung sowie zum sozialien Austausch.
Obwohl die Anzahl der Sentos in Japan in den letzten Jahrzehnten zurückgegangen ist, bleiben sie ein wichtiger Teil der japanischen Kultur. Viele Sentos bieten ein traditionelles Badeerlebnis mit verschiedenen Becken, darunter heiße Quellenbäder (Onsen), kalte Bäder und inzwischen auch Saunen. Sie sind Orte der Entspannung und des sozialen Zusammenseins, die von Menschen jeden Alters geschätzt werden.
Im Folgenden werden die gängigsten Arten von Bädern in einem Sento aufgelistet und kurz beschrieben. In manchen Sento sind alle aufgelisteten Bäder zu finden, in anderen nur die drei gängigsten wie das Atsuyu, das Miyuburo und manchmal noch das Kusuriyu.
Onsen (Heiße Quellen): Onsen sind heiße Quellenbäder, die von natürlichen geothermalen Quellen gespeist werden. Sie sind oft das Hauptmerkmal vieler Sentos und werden wegen ihrer gesundheitlichen Vorteile und entspannenden Wirkung geschätzt.
Atsuyu (heißes Bad): Oft ist das Atsuyu einfach nur ein sehr heißes (40°C-42°C) Bad ohne Zusätze oder beigefügte Mineralien. In manchen Sento wird das Atsuyu aus natürlichen heißen Quellen gespeist, in anderen wird normales Leitungswasser genutzt.
Rotenburo (Freiluftbäder): Rotenburo sind Bäder im Freien, die oft von einer landschaftlich reizvollen Umgebung umgeben sind. Sie bieten ein besonderes Badeerlebnis, bei dem man die Natur genießen kann, während man im warmen Wasser entspannt.
Denkiburo (Elektrisches Bad): Ein Denki Furo (電気風呂) bezieht sich auf ein Badebecken, in dem ein schwacher elektrischer Strom durch das Badewasser geleitet wird, der in einem Maß erfolgt, das dem Körper keine Schäden zufügt. Die Struktur besteht aus Verkabelung von einer Stromquelle zu Elektrodenplatten. Diese Einrichtungen sind hauptsächlich in japanischen öffentlichen Badehäusern (Sento) installiert und sind besonders in der Kansai-Region verbreitet.
Mizufuro (Kaltwasserbad): Mizufuro sind kalte Wasserbäder. Sie dienen dazu, den Körper nach dem Baden in heißen Quellen zu kühlen und den Kreislauf zu stabilisieren. Dieser Wechsel zwischen heißen und kalten Bädern, bekannt als "Kuramae", trägt zur Erfrischung und Belebung bei und wird als wichtiger Bestandteil eines vollständigen Badeerlebnisses angesehen.
Kusuriyu (Medizinbad/Kräuterbad): Kusuriyu sind medizinische Bäder oder Bäder mit medizinischen Zusätzen, die in japanischen Badehäusern, die meistens eine Badetemperatur von 38°C bis 40°C aufweisen. Diese Bäder sind angereichert mit verschiedenen Arten von medizinischen Inhaltsstoffen oder Kräutern, die spezielle gesundheitliche Vorteile bieten.
Sansofuro (Sauerstoffbad): Sansofuro sind mit Sauerstoff angereicherte Bäder, die dazu dienen, den Körper zu beleben und zu revitalisieren. Durch die Zugabe von Sauerstoff zum Badewasser wird eine erfrischende und belebende Wirkung erzielt, die dazu beiträgt, die Durchblutung zu fördern und die Energie zu steigern.
Umgeben von der Wärme des Wassers, werde ich schläfrig. Das ist genau der richtige Zeitpunkt, um das Wasser wieder zu verlassen. Ich steige auf der Gemeinschaftswanne, trockne mich mit meinem kleinen Handtuch ab, welches ich immer wieder auswringe. Zurück in der Umkleide unterhalte ich mich kurz mit ein, zwei einheimischen Damen, während ich mich anziehe und mir meine Haare trockne. Bevor ich das Badehaus verlasse, kaufe ich am Einlass noch eine Kaffeemilch. Das gehört einfach dazu.
Ich bedanke mich bei der Empfangsdame und mache mich auf den Rückweg zu meiner Wohnung durch die kalte Winternacht.
Danke, dass ihr mich auf dieser kleinen Reise in einen japanischen Sento begleitet habt. Falls ihr in Japan seid und die Möglichkeit habt, einen Sento zu besuchen, macht das auf jeden Fall! Es ist ein einzigartiges Erlebnis, was süchtig macht. Falls ihr Fragen rund um das Thema "Bäder in Japan" habt, schreibt sie gerne in die Kommentare. Ich werde mich so schnell es geht um die Beantwortung kümmern.
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