Eine Arbeit in einem Land zu finden, in welchem man die Sprache nicht perfekt spricht, ist gar nicht so einfach. Doch wenn die richtigen Leute in deiner Umgebung herumschwirren und du offen über deine Träume, Wünsche und Vorstellungen sprichst, dann kommen passende Möglichkeiten zu dir.
So erhielt ich von Stefanie, welche mich zu meiner Gastfamilie begleitet hatte, keine zwei Monate nach meiner Landung eine Nachricht, in der sie mir eine Stellenanzeige weiterleitete.
Die Touristeninformation in Nihonbashi suchte nach internationalen Mitarbeitern für das Informationszentrum. Der Hauptgrund, warum Stefanie beim Lesen der Anzeige an mich denken musste, war der Fakt, dass während der Arbeitszeit Kimono getragen wird und erste Einblicke in die Welt des Omotenashi ermöglicht werden. Das japanisch Level sollte im sicheren Konversationsbereich liegen und neben Englisch sollte mindestens noch eine weitere Sprache gesprochen werden. Also perfekt für mich.
Ich bewarb mich sofort sowohl mit einem japanischen, als auch einem englischen Lebenslauf und einem Anschreiben in beiden Sprachen. An diesem Punkt war ich für mein Leben in einer Gastfamilie sehr dankbar. Sowohl beim Erstellen des japanischen Lebenslaufes, als auch beim Anschreiben half mir meine Gastmutti. Nach einer Woche hatte ich die Einladung zum Vorstellungsgespräch im Mailpostfach. Aufgeregt und im klassischen, schwarz-weißen Outfit ging es zum Gespräch.
Vorstellungsgespräch Runde 1
Die erste Vorstellungsrunde hatte ich mit Min. Sie ist meine Chefin in der internationalen Abteilung und zog vor über 10 Jahren nach Japan. Das Gespräch fand komplett auf Englisch statt und mir wurden die klassischen Vorstellungsgesprächsfragen gestellt. Als die Frage nach meiner Zukunftsvorstellung gestellt wurde, habe ich mein Interesse an allen Aspekten, die mit der Gastfreundlichkeit zu tun haben, betont und lies auch meine Ryokan-Pläne nicht außen vor. Nachdem ich alle Fragen beantwortet hatte, wurde mir versichert, dass ich bald eine Mail bekommen würde, mit dem weiteren Ablauf und dass ich eventuell noch ein Gespräch mit der Leiterin der Touristeninformation haben würde.
Vorstellungsgespräch Runde 2
Die Mail kam wie versprochen und ich bereitete mich auf die zweite Runde vor. Ich ging davon aus, dass auch dieses Gespräch auf Englisch stattfinden würde, wurde jedoch bei meiner Ankunft überrascht. Mori-san, die Leiterin des Informationszentrums Nihonbashi spricht kein Wort Englisch und so musste ich mich auf Japanisch durch das Gespräch kämpfen. Ich war überrascht, wie viel ich verstand und wenn sich bei mir ein fragender Blick auf das Gesicht verirrte, half mir Min-san mit der Übersetzung. Neben dem Gespräch erhielt ich die Aufgabe, mithilfe einer Karte, eine Wegbeschreibung sowohl auf Japanisch, als auch auf Englisch zu formulieren. Ich war froh, dass wir genau dieses Thema ein paar Wochen zuvor im Unterricht hatten, so wusste ich ungefähr, was von mir gehört werden wollte. Neben der Wegbeschreibung durfte ich zwei kurze Shop-Vorstellungen aus dem Japanischen ins Englische übersetzen, was mir relativ leicht fiel, da die Texte nicht unnötig kompliziert geschrieben waren.
Vorstellungsgespräch Runde 3
Nachdem auch die zweite Runde geschafft war, bekam ich ein paar Tage später die nächste Mail, in welcher ich über das Datum der Vertragsunterzeichnung informiert wurde. Hier wurde mir noch einmal erläutert, dass es einen dreimonatigen Probelauf geben würde, mit einem Test am Ende und kleinen Überprüfungen zwischendurch.
An dieser Stelle war ich gerade einmal knappe zwei Monate im Land. Wenn diese Arbeit keine Fügung des Schicksals war, weiß ich auch nicht weiter.
Nihonbashi Informationszentrum
Während meines Konversations-Kurses konnte ich sowohl unter der Woche, als auch am Wochenende arbeiten, wodurch ich im ersten Arbeitsmonat einiges an Stunden und Erfahrungen sammeln konnte. Dank meiner japanischen Kollegen, welche mir Vieles erklärten und sich Mühe gaben alles so einfach wie möglich zu halten, legte ich im ersten Monat eine steile Lernkurve hin.
Mein Japanisch wurde schnell besser und ich konnte bald meine ersten Orientierungshilfen auf Japanisch geben. Ich lernte die Umgebung kennen, merkte mir, wo welche Läden sind, wie sie heißen und was sie verkaufen. Ich lief immer wieder die Wege in den drei Hauptgebäuden (COREDO Muromashi 1,2,3) ab und prägte mir die Straßenverläufe in Nihonbashi ein. Hier ein kleines Bild, damit ihr ungefähr einschätzen könnt, welches Gebiet wir abdecken:
Das Informationszentrum befindet sich in COREDO Muromachi 1. Im gleichen Haus finden sich unter anderem Läden wie Kiya - ein Shop der sich auf die traditionelle Herstellung von Messern spezialisiert und Ninben - ein Laden welcher Katsuboshi (getrockneter und fermentierter Thunfisch) spezialisiert hat. Beide Läden sind sogenannte "Shinise 老舗" - Shops mit einer langen Traditionsgeschichte. Kiya zum Beispiel existiert seit 1792 in Nihonbashi. Der Laden hat mehrere Brände, das große Kanto Erdbeben und den Bombenabwurf über Tokyo während des Zweiten Weltkrieges. Bis heute setzen sich die Betreiber von Kiya dafür ein, Handwerkskunst in ganz Japan zu unterstützen. Neben den Shops lernen die Mitarbeiter der internationalen Abteilung eine Kultur-Tour, welche von Touristen gebucht werden kann. Grob umfasst besteht die Tour aus der Vorstellung eines Shinto-Schreins, Kiya und Ninben inklusive Praxisvorführungen, der Hauptstraße, welche durch Nihonbashi führt und der berühmten Nihonbashi Brücke. Die Tour dauert etwas mehr als eine Stunde und wird komplett auf Englisch gehalten.
Am Ende meiner dreimonatigen Ausbildung führte ich die Tour meinen Kollegen der internationalen Abteilung, sowie meinen beiden Vorgesetzten vor und bestand.
Neue Verantwortung und Pläne
Meine dreimonatige Ausbildung ist herum und ich trage Kimono!
Was für ein tolles Gefühl.
Ich arbeite seit Beginn des Intensivkurses nur noch am Wochenende und lerne noch immer jeden Tag Neues dazu. Ich darf eine neue Mitarbeiterin ausbilden und genieße jede Stunde. Keine Frage, der Job ist anstrengend und hat auch seine langweiligen Minuten, aber ich gebe mein Bestes aus jeder noch so kleinen Situation etwas mitzunehmen und mit offenen Ohren alles Neue aufzusaugen. Ich werde ab diesem Monat ein Jahr in der Touristeninformation arbeiten. Bis nächstes Jahr Mitte August verbringe ich hier den Großteil meiner Zeit. Die Sprachschule endet im Dezember dieses Jahres und ich kann es kaum fassen, dass ich inzwischen schon ein komplettes Jahr intensiven Japanisch-Unterricht hinter mir habe. Davon ein halbes Jahr Nachtunterricht von Deutschland aus und ein halbes Jahr in Japan.
Für heute soll es das erst einmal sein. Die Region Nihonbashi und einige interessante Fakten aus der Tour stelle ich euch im nächsten Blogeintrag vor.
Bleibt gesund,
eure Tanja
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