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Was ist Erfolg?

tanjaschneider96

Aktualisiert: 13. Feb.


Eine Frage, die immer wieder in meinem Leben auftaucht, sich jedoch nie wirklich fassen lässt. Es ist die Frage nach dem Greifbar machen von etwas, das sich nicht in Worte oder Zahlen fassen lässt. Die Frage nach dem Vergleich von Wegen, die nicht miteinander verglichen werden sollten. Es ist eine Frage, die schnell Neid und Missgunst hervorrufen kann und dazu führt, dass die eigenen Erfolge kleiner erscheinen, als sie wirklich sind.

Was ist Erfolg? Habe ich meine Ziele erreicht, oder bin ich noch auf dem Weg? Habe ich schon alles abgehakt, was ich mir vorgenommen habe?


Ja und nein.


Ja, ich habe viele Dinge in meinem Leben erfolgreich abgeschlossen: Mein Abitur, meinen Bachelor und meinen Master. Ich habe die Sprachschule abgeschlossen und den Einsteigerkurs in der Teezeremonie erfolgreich beendet. Zwei Jahre Kimono-Schule und ein Jahr Arbeit in einem japanischen Ryokan.


Dies sind alles Dinge, die ich mir vorgenommen hatte und die nun abgeschlossen sind. Doch bedeutet das, dass ich wirklich erfolgreich bin oder mein Ziel erreicht habe?


In meinen Augen nicht. Ich werde immer ein Schüler des Lebens bleiben. Ich werde nie aufhören, Japanisch zu lernen, auch wenn ich nicht mehr aktiv an einem Unterricht in einer Schule teilnehme. Ich werde nie aufhören, mich mit Kimonos oder der Teezeremonie zu beschäftigen, auch wenn ich bereits Zertifikate habe, die meine Fähigkeiten bestätigen. Es gibt immer noch so viel mehr zu entdecken: Geschichten, die ich noch nicht kenne, zukünftige Entwicklungen, die noch nicht eingetreten sind.


Ich bin weiterhin auf meinem Weg, und dieser verändert sich ständig. Doch das Ziel bleibt das gleiche: Lernen und das Gelernte weitergeben. Erfahren und das Erfahrene teilen.


Ich habe noch lange nicht das Potenzial ausgeschöpft, das in mir steckt. Es gibt noch so viel Raum für Wachstum. Und trotzdem bin ich glücklich mit dem, was ich habe, und zufrieden an dem Ort, an dem ich stehe. Im Leben selbst und in der physischen Welt.


Ich bin sehr glücklich in einem viel zu kleinen Apartment, in einem Beruf, der mich nicht vollends erfüllt, und mit einem Gehalt, das nicht meinen Fähigkeiten entspricht.

Ich bin sehr glücklich, wenn ich Zeit mit meinen Freunden verbringe, Kimonos trage, zum Kyudo gehe und den Teezeremonieunterricht besuche.


15 Prozent meines Lebens hier in Japan erfüllen mich so sehr, das ich es kaum in Worte fassen kann.


15 Prozent sind das, was ihr seht, die Momente, die ich mit euch teile.


15 Prozent sind Sonnenschein, Matcha und Tempelbesuche.


Konzentration beim Putzen.
Konzentration beim Putzen.

Doch das ist nicht mein gesamtes Leben. Die restlichen 45 Prozent seht ihr nicht. Die späten Nächte, in denen ich müde, jedoch mit einem breiten Lächeln auf den Lippen, als freiwilliger Helfer öffentliche Bäder putze. Die frühen Morgenstunden, in denen ich vollen Herzens und mit Freude online Deutschunterricht gebe, um mir etwas dazuzuverdienen, da mein Gehalt gerade so zum Überleben reicht. Meine Pausen auf der Arbeit, die keine Pausen sind, weil ich meine Erfahrungen und Erlebnisse in Blogeinträgen niederschreibe oder meinen Online-Kimono-Laden auf Etsy betreibe, damit Menschen Produkte kaufen können. Meine freien Tage, die manchmal keine freien Tage sind, da ich für Etsy Bestellungen einkaufen gehe, an meinem Sento Guide schreibe oder zum Sport gehe, damit meine körperlich belastende Arbeit meinem Rücken nicht zu sehr schadet.


Kyoto Sento Crew!
Kyoto Sento Crew!

Ihr seht nicht die seltenen Momente, in denen ich allein in meinem Zimmer sitze, durch alte Fotos auf meinem Handy scrolle und weine, weil ich meine Familie vermisse. Ihr steht nicht jeden Morgen auf und packt den neuen Tag bei den Hörnern in einem Land, in dem ihr immer eine Fremde sein werdet. Ihr müsst euch nicht erklären, warum ihr den Weg geht, den ihr geht. Warum ihr euch für den schwierigen Weg entscheidet. Und das jeden Tag aufs Neue.


Vielleicht fragt ihr euch jetzt, warum geht sie diesen Weg denn weiter, wenn er scheinbar so beschwerlich und steinig ist?


Weil es ein Weg ist, der mich wachsen lässt. Ein Weg, der es wert ist zu gehen. Ein Weg, bei dem bei jedem Schritt eine Blume am Wegesrand zu Blühen beginnt. Ein Leben, in dem zeitlich betrachtete 15 Prozent so viel Lebensfreude und Licht enthalten, dass sie die restlichen 45 Prozent der Zeit, die anstrengend und manchmal Nerven raubend sind, überstrahlen. Ein Weg auf dem die anderen 45 Prozent auch Momente enthalten, die mir Freude bereiten, Aktivitäten, die mich erfüllen und Erlebnisse die mich zum Lächeln bringen.


Aktuell sind die 45 Prozent ein Grund und Antrieb für mich, mich weiterzuentwickeln. Weiterzuwachsen, neue Möglichkeiten und Wege zu erforschen, um vielleicht eines Tages den Beruf auszuüben, der mich jeden Tag voller Energie aus dem Bett befördert. Zu lernen, zu wachsen, neuen Menschen zu begegnen und Kontakte zu knüpfen. Irgendwann mit meiner Familie in dem Apartment oder dem Haus zu wohnen, was einen Garten hat und irgendwo im ländlichen Japan liegt.


Für euch ist aus meiner Welt jedoch nur das sichtbar, was ich kleinen Texten niederschreibe und euch damit einen Einblick in die Schattenseiten gebe. Ihr seht ohne die ehrlichen Texte nur den stetigen Sonnenschein, die scheinbaren Erfolge und die, aus der Vergangenheit aus zu betrachteden, erreichten Ziele. Ihr seht die schönen Fotos und das Lächeln auf meinem Gesicht.


Und das ist okay.


Kleine Tanja, ich bin stolz auf dich!
Kleine Tanja, ich bin stolz auf dich!

Denn jeder von uns geht seinen eigenen Weg. Mit seinen eigenen Erfolgen und erreichten Zielen. Manche Wege sind schwieriger, andere leichter, doch jeder geht in seinem eigenen Tempo.


Also tut euch selbst einen Gefallen und vergleicht euch nur mit euch selbst. Mit eurem Selbst von gestern, was euch den Mut und die Zuversicht gibt, dass euer Ich von morgen stolz auf das Ich von heute sein wird.


Gebt jeden Tag euer Bestes und lächelt, so wie ich. Findet in den 15 Prozent eures Lebens, die euch Zufriedenheit bringen, die Kraft, um die anderen 45 Prozent so zu gestalten, dass ihr irgendwann bei 100 Prozent seid.


Denn das ist mein Ziel. Hier in Japan und in meinem Leben.


Und ich bin auf dem besten Weg dort irgendwann anzukommen.

 
 
 

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